Die HADAG-Hafenfähre BERGEDORF im Jahr 1972 in Hamburg

1888 bis 2018: Eine Chronologie der Hadag-Geschichte

Ein ständiges Auf und Ab hat die Hamburger Fährschiffsreederei HADAG geprägt. Mit mehr als 340 Schiffen fuhr sie im Laufe ihrer 130-jährigen Geschichte im Hamburger Hafen, auf der Niederelbe, der Nord- und Ostsee, nach England und schließlich mit dem Kreuzfahrtschiff „Astor“ um die ganze Welt. 1983 endete der Ausflug in fremde Gewässer: Die HADAG schrumpfte stark und fährt vor allem wieder Pendler über die Elbe. Mit komfortablen und technisch modernen Schiffen setzt sie  Maßstäbe im Nahverkehr auf dem Wasser. Gleichzeitig wurden fast alle alten Hafenfähren außer Dienst gestellt. Mit dem Traditionsschiff „Kirchdorf“ von 1962 bleibt diese Geschichte lebendig.

Der wirtschaftliche Boom nach der Gründung des Deutschen Kaiserreiches 1871 war auch Ursache für die Gründung der HADAG. Damals stieg die Bedeutung des Welthafens Hamburg rasch an. Neue Reedereien und Werften entstanden; die ersten Fährverbindungen wurden aufgenommen. Mit dem Zollanschluss Hamburgs an das Deutsche Reich sowie der Einweihung von Speicherstadt und Freihafen am 29. Oktober 1888 war zudem eine völlig neue Struktur geschaffen worden. Im Hafen südlich der Elbe entstanden viele neue Arbeitsplätze, die Arbeiter aber wohnten nördlich der Elbe.

Um zwischen den Wohngebieten und den Arbeitsplätzen einen leistungsfähigen und einheitlichen Fährverkehr zu schaffen, beantragte der Ingenieur Ernst Hadenfeldt am 14. Februar 1888 eine Konzession für den gesamten Hafenfährverkehr. Zusammen mit dem Rechtsanwalt Johannes Semler beschaffte er das Kapital, gründete am 8. August 1888 die Hafen-Dampfschiffahrt- Actien-Gesellschaft (HDAG, seit etwa 1945 ist HADAG üblich) und blieb selbst bis 1912 Vorstand der Reederei. Es war ein schwieriger Beginn. Fünf alteingesessene Fährunternehmer besaßen noch Linien-Konzessionen. Sie wurden ihnen nach langen Verhandlungen für viel Geld bis Januar 1889 einschließlich der Schiffe abgekauft. Außerdem gingen 22 Neubauten bis 1890 in Fahrt. Die dann 47 Einheiten waren ein „bunter Haufen“: Sie waren schwarz, leuchtend rot, grün oder weiß gestrichen. Bald darauf bekamen sie die Hausfarben der HADAG: grün für den Rumpf, weiß für die Aufbauten.

Die hohen Investitionen und die zu niedrigen Tarife hatten hohe Verluste zur Folge. Die Aktionäre forderten Abhilfe. Der Fahrpreis wurde deshalb 1890 von 5 Pfennig auf 10 Pfennig angehoben, Arbeiter konnten ermäßigt für 2,5 Pfennig fahren. Allerdings zahlte die Stadt für sie aus sozialen Gründen der HADAG einen Zuschuss von 2,5 Pfennig. Trotzdem gab es weitere Verluste:

So konnten die meisten Schiffe nur bis zu 50 Passagiere mitnehmen. Die kleinen Schiffe wurden deshalb für wenig Geld verkauft. Und bis 1899 gingen zwölf neue Dampfer mit einer Kapazität von bis zu 300 Personen in Fahrt.So gingen die Verluste zurück und 1895 konnte die HADAG erstmals eine bescheidene Dividende von zwei Prozent zahlen; vier Jahre später sogar zehn Prozent.

Die Anfangsschwierigkeiten waren überwunden und die HADAG wuchs: 1899 übernahm sie die Jollenführerdienste. Hier fuhren Boote zu den Schiffen, die nicht am Kai, sondern mitten im Wasser lagen. Außerdem kaufte das Unternehmen 1899 die sieben Dampfer der Lauenburger Firma Gebr. Burmester und fuhr auf der Oberelbe einen Liniendienst. Im Gegensatz zu den Fährverkehren war dieser nicht preisgebunden. Die HADAG machte damit dennoch Verlust und gab den Betrieb 1905 wieder auf. Lukrativer war die Übernahme der Finkenwerder Linie im Mai 1900. Die heute am stärksten benutzte HADAG-Linie war außerdem der Einstieg in den Ausflugsverkehr aufder Niederelbe.

Die HADAG expandierte weiter. Neue Hafenanlagen und Fabriken entstanden, das Verkehrsbedürfnis stieg und die HADAG stellte immer mehr Schiffe in Dienst. Außerdem bezog sie 1904 ihren neuen Firmensitz, das Haus Hafenhof,Vorsetzen 53. Doch es gab auch Rückschläge: 1911 wurde der für Fußgänger kostenlose St. Pauli Elbtunnel eröffnet. Er nahm der HADAG viele Fahrgäste weg. Der Erste Weltkrieg brachte weitere Einschränkungen. Außerdem waren die vom Staat vorgeschriebenen Tarife so niedrig, dass die HADAG wieder in die roten Zahlengeriet. Die über die anhaltenden Verluste verärgerten Aktionäre forderten schließlich die Liquidation. Um die für den Hafenfährverkehr unentbehrliche Reederei zu erhalten, übernahm die Stadt Hamburg deshalb am 23. Oktober 1918 die HADAG. 1921 vergab die Stadt ihr zudem die Konzession für sämtliche Hafenrundfahrten: Dieses Privileg sorgte für eine krisensichere und gewinnbringende Auslastung der Fährschiffe.

Ein großer Fortschritt für den Fahrgast war der 1928 von HHA und HADAG eingeführte, gemeinsame Tarif. Die Tarifgemeinschaft war ein Vorläufer des 1965 gegründeten Hamburger Verkehrsverbundes (HVV). Seitdem konnten Fahrgäste U-Bahn, Straßenbahn, Schiff und später Bus mit einem Fahrschein benutzen. 1925 ging mit der „Jan MolsenJan Molsen (1) (1925) 002 am 1.7.1959(nach einem Reederei-Vorstand benannt) das erste Motorschiff der HADAG in Fahrt, das Platz für 3000 Passagiere hatte. 1926 startete die Gesellschaft damit die bald beliebten Cuxhaven-Fahrten. Und 1929 übernahm sie die Stade-Altländer-Linie. Mit 76 Schiffen beförderte sie in dem Jahr 16 Millionen Fahrgäste. 1931, während der Weltwirtschaftskrise, fuhren nur noch neun Millionen Passagiere mit. 34 Schiffe mussten zeitweise aufgelegt werden.

 

Nach 1933 ging es zunächst wieder aufwärts. Die HADAG stellte 23 Neubauten in Dienst und übernahm 1937 die Harburger Linie Wachsmuth und Krogmann mit sechs Schiffen. Der Zweite Weltkrieg bedeutete auch für die HADAG schwere Verluste: Viele Dienste wurden gestrichen, zwölf Schiffe wurden zerstört, alle anderen waren zum Teil erheblich beschädigt.

Dennoch konnte bereits sechs Tage nach Kriegsende im Mai 1945 die Finkenwerder-Linie wieder in Betrieb gehen; betriebssicher aber waren die Schiffe erst wieder 1948. Wegen der Hamsterfahrten hatte die HADAG damals einen regen Verkehr auf der Niederelbe zu bewältigen und musste mangels Schiffen bis zur Währungsreform 1948 sogar 13 Fahrzeuge anmieten. Danach war die Reederei hoffnungslos unterkapitalisiert. Mit zwölf Millionen Mark half die Stadt Hamburg iWappen von Hamburg, 1958_1hr wieder auf die Beine, so dass die HADAG ein großes Neubauprogramm starten konnte: Von 1952 bis 1963 nahm die Reederei 51 neue Hafenfähren in Betrieb. Diese etwas bulligen „Typ-Schiffe“hatten Platz für bis zu 600 Personen und waren bis zu Beginn der 1990er Jahre ein fester Bestandteil des Hafenbildes. Das heutige Traditionsschiff „Kirchdorf“ ist ein solches „Typ-Schiff“. Außerdem hatte die HADAG 1952 zusammen mit der HAPAG den Seebäderdienst nach Cuxhaven, Helgoland und Sylt gestartet und nahm 1955 mit der „Wappen von Hamburg“ ihren ersten Seebäderschiff-Neubau in Fahrt, dem 1957 ein zweites folgte. Sie wurden rasch durch Neubauten ersetzt, die außerhalb der Saison auch nach Skandinavien eingesetzt und zwei Schiffe sogar als Kreuzfahrtschiffe verchartert wurden.

1958 erreichte die Reederei mit 21,3 Millionen Fahrgästen ihre höchste Leistung im Hafen-Fährverkehr. Schließlich übernahm die HADAG 1963 ihren letzte großen Konkurrenten, die Hamburg-Blankenese-Este-Linie mit zwölf Schiffen. Außer den Querverbindungen Lühe–Schulau und Glückstadt–Wischhafen gibt es seitdem nur noch die HADAG im Nahverkehr auf der Unterelbe. Wenige Jahre später expandierte sie – mit Unterstützung der Stadt – weit über ihre Hafengrenzen hinaus, nennt sich seit 1969 HADAG Seetouristik und Fährdienst AG, zog 1970 in das neue Verwaltungsgebäude Johannisbollwerk 8 und ersetzte die grün-weiß-schwarze Reedereiflagge durch die heutige grün-weiß-rote.

 

Seit 1969 bereederte die HADAG die Englandfähre „Prinz Hamlet“ zwischen Hamburg und Harwich und seit 1970 auch die Verbindung von Bremerhaven nach England. Gleichzeitig ging der traditionelle Verkehr zurück. In den Hafenbetrieben und auf den Werften sank die Zahl der Arbeitsplätze. Außerdem stiegen immer mehr Menschen auf das Auto um. Um zu rationalisieren, nahm die HADAG 1973 die ersten Ein-Mann-SScharhörnchiffe „Scharhörn“ und „Neuwerk“ in Betrieb. Die übrigen Hafenfähren wurden bis 1976 auf Zwei-Mann-Betrieb umgebaut. Die Jollenführerdienste wurden wegen anhaltend großer Verluste 1979 eingestellt.

Seit 1971 setzte die HADAG ihre Seebäderschiffe erfolgreich auch auf der Ostsee als „Butterschiffe“ ein. Bei diesen Ausflugstouren konnten die Passagiere Waren– unter anderem Butter – auf See zollfrei einkaufen. 1973 beteiligte sich eine Tochterfirma der Reederei im Passagierdienst zwischen Malmö und Kopenhagen und 1974 beteiligte sich die HADAG sogar maßgeblich an einer Fluggesellschaft.

Als „HADAG Air“ flog sie zwischen Hamburg, Helgoland und Sylt. Außerdemübernahm sie die Elbfähre Brunsbüttel–Cuxhaven. Und es wurde turbulent: Die Fährlinie Kopenhagen–Malmö geriet 1975 in Konkurs. Um die dort vercharterten Schiffe vor einem ungerechtfertigten Zugriff zu retten, holte sie die HADAG in einer Nacht- und Nebelaktion nach Deutschland zurück. Die durch den Konkurs verursachten Einnahmeausfälle aber mussten hingenommen werden.Unterdessen waren die Probleme im Hafen- und Niederelbeverkehr größer geworden. Um alle Beschäftigungsmöglichkeiten zu nutzen, fuhren HADAG Schiffe seit 1977 wieder auf der Oberelbe bis Lauenburg, nach Bleckede und in den Elbe-Seiten-Kanal. Doch das Geschäft wurde immer schwieriger. Sogar aufder Traditionslinie nach Helgoland fuhr die HADAG Verluste ein. Schließlich zog sie sich 1981 aus der Passagierschifffahrt nach England zurück, gab die Einkaufsfahrten auf der Ostsee und die Elbefähre Brunsbüttel–Cuxhaven auf.

Astor (I)Hoffnungsträger war das Ende 1981 in Dienst gestellte Kreuzfahrtschiff „Astor“, mit dem die HADAG auf den Weltmeeren in neue Dimensionen hineinwachsen sollte, weil der traditionelle Verkehr immer weiter zurückging. Doch auch die „Astor“ brachte nur Verluste. Wegen tiefroter Zahlen schrumpfte sich die HADAG schließlich seit 1983 gesund: Fluggesellschaft, Verwaltungsgebäude, „Astor“ und sechs andere Schiffe wurden verkauft – die Zahl der Einheiten sank auf 30; der Seebäderdienst zwischen Hamburg und Helgoland wurde aufgegeben, andere Dienste eingeschränkt. Die Zahl der Mitarbeiter wurde von 211 auf zunächst 144 abgebaut und das Unternehmen eine Tochterfirma der Hamburger Hochbahn AG (HHA).

1996 schuf die HADAG (zusammen mit dem Schiffahrtskontor Altes Land) eine neue Dimension im Nahverkehr. Seitdem pendeln Schnellfähren zwischen Hamburg und Stade. Dieser Dienst wurde 1997 um den überwiegendtouristischen Verkehr nach Cuxhaven erweitert. Damit hätte die HADAG ihre Grenzen überschritten. Deshalb reichte sie ihre Anteile an dem innovativen Pendler-Projekt an die KG Seetouristik (Flensburg) weiter.

1997 wurde das erste Schiff vom sog. Typ 2000 gebaut, im Volksmund auch „Bügeleisen“ genannt. Heute sind die mittlerweile 13 Schiffe dieses Typs nicht mehr aus dem Hamburger Stadtbild wegzudenken.

Aber auch nach der Jahrtausendwende schuf die HADAG einen neuen Schiffstyp,  der die Flotte prägen sollte: die Nala am 08.04.2008brückengängigen Flachschiffe „Nala“, „Rafiki“  und „Reiherstieg“.

Als Hamburg mit dem Bau der Elbphilharmonie beginnt, ist schnell klar, dass das  repräsentative Schmuckstück der Stadt wasserseitig angebunden sein muss. 2012  nimmt die HADAG-Linie 72 den Betrieb auf und verbindet seitdem wasserseitig das Drehkreuz St. Pauli Landungsbrücken mit der Elbphilharmonie.

Ziel des heutigen Unternehmens ist nicht  nur, weiter zu wachsen und das Angebot zu verbessern, sondern auch die Lebensqualität in Hamburg zu fördern und die  Umwelt zu schonen. Diese Strategie versinnbildlicht sich mit der Schaffung des  neuen Schiffstyps 2020, der unter dem Namen „Elbphilharmonie“ in 2017 mit einem diesel-elektrischen Antrieb und Platz für 400 Fahrgäste Fahrt aufgenommen hat.

Das Schwesterschiff „Kehrwieder“ befindet sich aktuell im Bau und wird  voraussichtlich noch dieses Jahr seine Runden auf der Elbe drehen.

Ein Betrieb kann jedoch nur dann erfolgreich sein, wenn er ein starkes Rückgrat hat. Immer sind es die Menschen, die dem Unternehmenserfolg ein Gesicht geben. Rund 100 hoch qualifizierte Mitarbeiter arbeiten heute für die HADAG. Denn ohne  sie „läuft nichts“. Schiffsführer, Techniker, Betriebslenkung und Verwaltung sorgen an 365 Tagen im Jahr, bei Sturm, Eis und Großveranstaltungen, für einen reibungslosen Ablauf, damit die Fahrgästeihre Fahrt auf dem Wasser genießen können. Da der Beruf der Hafenschiffer immer seltener wird, bildet die HADAG sehr  erfolgreich ihren eigenen Nachwuchs aus.

2018 bekam das Traditionsunternehmen einen neuen Vorstand. Im August  übernahm das Ruder Dr. Tobias Haack:

„130 Jahre sind für die HADAG nicht nur eine Zahl, sondern auch der Stolz, den alle im HADAG-Team in sich tragen,auf die kommenden Herausforderungen, die richtige Lösung zu finden. Mit voller Fahrt voraus und immer einer Handbreit Wasser unter dem Kiel sind wir voller Tatendrang, die Unternehmensgeschichte erfolgreich fortzuschreiben.“, so Dr. Tobias Haack.


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